Äußere mich nicht mehr gerne zu Cyberpunk, da ich mit meiner Meinung meist auf wenig Gegenliebe stoße, besonders unter Consoleros. Habe Cyberpunk aber nicht ohne Grund unter meine Top10 der Gen8 gewählt und beinahe irrsinnige 80h in nur einer Urlaubswoche raufgesuchtelt bzw. es damit auch in kürzester Zeit inhaliert. Das spricht denke ich Bände, dafür wie stark es mich in seinen Bann gezogen hat. Cyberpunk war in fast allen Dingen, die mir besonders wichtig sind, eine Punktlandung: Worldbuilding, Atmosphäre, Writing, Charaktere, Quests, Inszenierung, Environmental Storytelling und audiovisuelles Design. In all diesen Aspekten ist es für mich herausragend bis teilweise sogar referenzträchtig.
Wo ich Abstriche machen würde ist zum einen das Gameplay, wobei ich nicht der Meinung bin, dass es schlecht wäre. Ganz und gar nicht. Es hat mir Spaß bereitet und mich nur selten gestört aber es wäre halt auch mehr drin gewesen. Auf der anderen Seite natürlich der technische Schliff. Wobei sich meine Bug/Glitch-Erfahrung sehr in Grenzen hielt - habs wie erwähnt in der Release Woche durchgesuchtet, ergo nicht mehr als die ersten Patches drauf gehabt und es lief ziemlich gut bei mir. Hier und da ein paar Bugs und Glitches aber nichts was mir den Spielspaß großartig getrübt hätte. Abstürze kann ich innerhalb dieser fast 80h auch locker an einer Hand abzählen (wenn nicht sogar an zwei Fingern). War auch so der Tenor aus meinem Freundeskreis, der so gut wie ausschließlich (bzw. bei Cyberpunk ausschließlich) aus PC Gamern besteht. Da hatte zum Release niemand großartig Probleme mit dem Titel bzw. beschwerte sich am Ende darüber, wenngleich wir uns auch einig waren, dass wir hier natürlich keinen sauber polierten Titel vorliegen hatten - aber auch keinen der jetzt besonders entartet wäre (Bethesda Spiele oder die Gothic Reihe etwa fielen in der Diskussion immer als schlechtere Beispiele).
Selbst das Gamedesign von Cyberpunk hat komplett meinen Nerv getroffen. Habe das Spiel nie wie ein GTA gespielt, sondern immer wieder ein RPG. Sprich ich habe mich von den Quests durch die Welt führen lassen. Night City war für mich nie eine Sandbox, die ich auf den Kopf stellen konnte, sondern immer eine große, stellenweise richtig atemberaubende Kulisse, für all die tollen Quests. Dabei kam für mich glücklicherweise auch nie dieses Standard langweilige Open World Feeling auf. Ich für meinen Teil habe eine regelrechte Abneigung gegen Open Worlds und bin bekennender Fan von linearen Titeln. Cyberpunk hat sich für mich, in den fast 80 Stunden, mehr wie ein linearer Quest/Story getriebener Titel, in fulminanter Kulisse, angefühlt und zum Glück weniger wie eine "Sandbox". Das rechne ich dem Spiel sehr, sehr hoch an.
Insgesamt gehört Cyberpunk mit Sicherheit zu den besten RPGs an denen ich bisher Hand anlegen durfte (RPGs sind mein absolutes Lieblingsgenre) und ich hab extrem Lust auf einen zweiten Durchgang. Warte hier aber noch auf einen eventuellen PS5/XSX Patch plus (hoffentlich) weiteren Quest Content.
Zwei Ausnahmetitel ihrer Zunft
Echt schade, dass es jetzt bei mir solange her ist, weil ich sonst gerne mal gewisse Plotpunkte und die Wahrnehmungen dieser mit dir gerne verglichen hätte, aber ich jetzt nach Monaten nicht mehr die genaue Korrelation und Kontext von allem genau im Kopf habe. Hatte ja damals bei RDR2 auch schon als einziger eine sehr große Logiklücke gefunden in der Narrative, bei der du selbst zugegeben hattest, dass du die gar nicht bedacht hattest (obwohl RDR2 trotzdem von der Story her super ist).
Bin das Spiel nämlich genauso angegangen, 100% als Rollenspiel mit Fokus auf das Spielen einer ROLLE (Großgeschrieben) und sich organisch und im Kontext der Story korrekt verhalten, und den ganzen Chaos, Ballern, GTA-Kram eher im Hintergrund. Lustigerweise ist in Retrospektive aber genau eher das Gameplay das, was ich am positivsten hervorheben kann, und das durchaus solide bis stark ist, wenn man mehr mit unkonventionellen Builds und Items austestet (was für mich ehrlich gesagt jetzt gar nicht so schlimm gewesen wäre, wenn das eher schlecht wäre), und grade als RPG und den Faktoren, die für ein RPG wichtig sind, Quests, Entscheidungsfreiheit in diesen Quests, Gesamtnarrative, eines der schlechtesten Spiele, die ich je gespielt habe.
Wie gesagt sehr ärgerlich, dass ich jetzt nicht mehr alles auf die Reihe kriege, aber selten ein sooooo dermaßen schlechtes RPG gesehen, obwohl halt viele andere Facetten (Worldbuilding, Artdesign, Gameplay) ziemlich gut sind.
Ein Punkt der mir direkt noch im Prolog-Kapitel vor den Kopf gestoßen war und an den ich mich noch ziemlich gut frustriert erinnere, mein V hab ich persönlich hart Anti-Corpo gespielt, auch durch den Street Kid Background, mit primärem Fokus auf Intelligenz und Reflexe, also eine hohe Qualität an Street Smarts, wenn man das in Worte ausdrückt.
Direkt bei der ersten größeren Mission, die in den ganzen ersten Präsentationen damals gezeigt wurde, den kleinen Bot von den Maelstroms zu klauen, ploppt aufm Weg dorthin ein optionales ZIel auf, sich mit Meredith zu treffen, die sich als hochrangige Managerin bei Militech vorstellt. Als Rollenspiel Gelegenheit habe ich das direkt excited wahrgenommen, dass ich dort vorbeifahre, und die direkt alle umlege, weil A) einerseits für meinen Charakter das Mantra "nur ein toter Corpo ist ein guter Corpo" gilt, und B) sowas direkt aufregend ist zu sehen, wie das Spiel als RPG reagiert wenn ich einen benannten Charakter einfach umlege.
In einem Haufen 3D RPGs geht das, von den meisten Bethesda RPGs zu etlichen Quests in den Witcher Spielen, sogar in strukturell lineareren RPGs wie Mass Effect oder Dragon Age. In Mass Effect 1 kann man ja sogar die Rezeptionistin in der Virmire Mission umbringen, die in dem Teil noch gänzlich unbenannt ist, just for the lulz weil man als Spieler das möchte ohne das es plottechnisch eine tiefere Rolle in dem Moment dann hätte, nur damit die danach eine wiederkehrende Rolle in Teil 2 und 3 hat (oder eben nicht, wenn man sie erschossen hat). Da ist es ja eigentlich nicht zu viel verlangt in einem RPG, grade ein offenes Open World RPG, dass einen großen Fokus auf Quests und Roleplaying legt, einen NPC einfach umzulegen wenn mir danach ist, und die Konsequenzen davon zu erleben.
Was passiert? Nope, nix da, der Geländewagen in dem sie ankommt ist unverwundbar, man kann auf sie und ihre Bodyguards nicht mal schießen, von Explosionen nehmen sie keinen Schaden. Sie fahren nicht mal weg nach Beschuss und sagen das Treffen ab. Die gesamte Interaktion ist 100% statisch und die einzige Möglichkeit diesen offenen Objective-Dot wegzukriegen, ist sich mir dem Wagen zu nähern und in die offene Falle zu rennen und ausgetrickst zu werden, obwohl mein V sogar GENAU die Stats hat, dass sie genau das nicht machen würde und die Falle von einer Meile erkennt.
Und damit das nicht genug ist, rennt mein V direkt nachdem Heist in genau die gleiche Situation nochmal im Motel dann, wenn sie das Badezimmer verlässt und sich genauso wieder überrumpeln lässt, obwohl man das direkt beim Betreten des kleinen Raumes kommen sieht und mein V niemals in einem roleplaying-korrekten Szenario dort so überrumpelt wäre und den Raum gar nicht erst betreten hätte. Ich weiß, warum die Entwickler dazu gezwungen waren, diese Szene so zu designen, damit sie V danach an den nächsten Punkt in der Story logisch bringen können und sie selbst zu doof waren sich eine andere logische Reihenfolge an Ereignissen auszudenken, aber das ist roleplaying-technisch unterirdisch schlecht.
Nicht ohne Grund macht man sich bei RPGs immer über dieses Trope lustig in denen man als Spieler die Kontrolle über den Charakter verliert, damit das Spiel einen "ausknocken" kann ungeachtet der eigenen Skills des Spielers oder der Stats des Charakters, ob das grade überhaupt Sinn macht, dass ein vollgelevelter Supermensch mit dem krassesten Equipment, der hundert der stärksten Bosse am Stück solo platt gemacht hat, dann von einem stinknormalen NPC ausgeknockt wird, nur weil die Entwickler keinen besseren Plan haben wie sie den Spieler von Situation A zu Situation B transportieren und sie nicht erkennen, dass sie diesen Plotpunkt dann entweder komplett umschreiben oder gleich lassen sollten.
In einem Story-technisch linearen Spiel wie Uncharted ist so etwas okay, weil ein Nathan Drake ein fester Charakter ist und eigene Entscheidungen, Stats und all sowas ja kein Feature so eines Spiels sind, aber in einem RPG, wo das ein Kern des Spiels ist, nur damit das Spiel sowas dann repeatedly, again and again, ignoriert, ist eine Todsünde.
Dazu die, wenn man mal drüber nachdenkt, unglaublich toxische Art wie die Konflikte der Charaktere, die man romancen kann, zugunsten der heterosexuellen Companions geeicht sind, was mir auch erst nachdem Durchspielen aufgefallen ist, und generell wie viele andere non-romance Quests entweder komplett banal und konsequenzlos sind, oder reine Fetch-Quests sind, oder wenn sie dann doch grade dabei sind richtig gut zu werden... einfach aufhören ohne Ende.
Ich war aufrichtig sauer, als ich ursprünglich die Peralez Questline gemacht hab und während der Questreihe mega involviert war und voll dabei, dann die letzte Quest der Reihe erledige und denke, "das geht garantiert später weiter", die Hauptstory weiter gemacht hatte und die ganze fucking Zeit auf eine Follow Up Quest gewartet hatte, dann buchstäblich vorm Point of No Return in der Mainstory stand und die Geduld verloren hab, das Wiki aufgeschlagen, nur um festzustellen... dass die Quest wirklich da im gar nichts aufhört! Was für eine lächerliche Leistung als RPG, insbesondere vom Entwickler der Witcher Spiele, echt.
Fand das Spiel trotzdem durchaus positiv, aber durch alles andere, die Immersion, die Atmosphäre der Spielwelt, das Gameplay, das Artdesign, und bin auch nicht wirklich vom verbuggten Release stark betroffen gewesen oder ähnliches, aber alles das, was ich mir erhofft hatte vom Spiel, grade als RPG, war absolut desaströs gewesen für mich...