Pathfinder: Wrath of the Righteous
Nach über 25h Stunden dachte ich, ich kann langsam meine Eindrücke zu Pathfinder WotR schildern. Nachdem das CRPG Genre eine Renaissance erlebt und Divinity, Disco und Pillars ihre wohlverdiente Aufmerksamkeit bekommen haben, laufen die Pathfinder Games gefühlt noch etwas unter dem Radar. Kann ich persönlich auch nachvollziehen. Auch ich hatte vor den Spielen so etwas wie Ehrfurcht. Sehr komplexe Mechaniken. Sehr viele Mechaniken. Unterschiedliche Systeme, Rundentaktik und Realtime with Pause, Management eines Reiches und Armeeschlachten. Zig Klassen, hunderte Spells und Skills. Und wenn man sich ein Review anschaut, versteht man kein Wort. Und das alles verpackt in einer Spielzeit von bis zu 200h. Ey, ich kriege Kopfschmerzen beim Schreiben.
Und irgendwann habe ich mich doch überwunden. Dabei bin ich nicht einmal der größte Fan des Genres, und aktuell erscheinen so viele Spiele, dass vielleicht so ein Monster von einem Game einen besseren Zeitpunkt erwischen könnte. Aber gut, yolo, und nach fast 8h Character Creation war ich auch schon im Spiel.
So viel will ich über Einzelheiten nicht verlieren, aber es gibt einige Punkte, die mich überrascht haben und über die gar nicht so viel gesprochen wird, obwohl es vielleicht noch mehr Weirdos gibt, die sich genau wie ich dafür interessieren.
An erster Stelle nerven mich unendlich lange Texte und Expositionen in RPGs. Ich mag eine ausgearbeitete Lore, aber ich will nicht die Bibel und fünfzig Geschichtsbücher zu einer Fantasiewelt lesen. Und ich kann mir das alles eh nicht merken, und dadurch gehen wichtige Ereignisse unter. Am Ende skippe ich alles und bin froh wenn es vorbei ist. Das war bei Morrowind so, bei Divinity habe ich den Humor auch nicht seitenlang ertragen. Disco war super, aber die inneren Monologe habe ich auch nicht immer aufmerksam gelesen. Und bei Pathfinder hatte ich auch befürchtet, dass ich hier schnell die Lust an der Lore verliere, wenn ich mit Belanglosigkeiten zugetextet werde.
Falsch gedacht. Die Dialoge sind gut geschrieben, aber was noch wichtiger ist, sie werden zugänglich präsentiert. Selbst wenn man fomo-mäßig alle Dialogoptionen durchklickt, gibt es kein unendliches Geschwafel und der Großteil fokussiert sich auf die unmittelbare Handlung.
Es gibt natürlich viel Lore bzw. fiktionale Geschichte, aber die angesprochenen Ereignisse wiederholen sich aus unterschiedlichen Perspektiven und hämmern sich behutsam ins Langzeitgedächtnis. Es gab in der Vergangenheit drei Kreuzzüge, aber niemand zitiert hier ganze Wikipediaartikel, sondern äußert sich zu den für sie oder ihn oder uns relevanten Punkten. Das gilt auch für persönliche Schicksale. Ein Typ wurde z.B. von einer Dämonin verführt und trägt Mitschuld an einem Massaker. Wir treffen erst die Dämonin, die es andeutet. Der unfreiwillige Verräter skizziert grob die Situation ohne sich selbst zu sehr bloßzustellen und sein Bruder gibt uns später mehr Details. Während unserer Reise treffen wir auf mehrere Charaktere, die von dem Massaker erzählen. Das wirkt äußert natürlich und ist dadurch leicht verdaulich und zieht sich bisher durch das ganze Spiel. Es ist beeindruckend wie eine komplexe Lore kommuniziert wird ohne den Spieler zu überfordern und wie die Dialoge immer direkten Bezug zur Handlung haben. So macht mir das Kennenlernen der Welt viel mehr Spaß als in Elder Scrolls, Divinity und Co.
Meine zweite große Sorge war das Kampfsystem und Character Building. Und hier fühle ich mich weiterhin etwas erschlagen, aber auf eine motivierende Weise. Es gibt genügend Schwierigkeitsgrade und Einstellungen, um die Spielerfahrung auch ohne Würfelzählerei und Minmaxing angenehm zu gestalten. Außerdem nutze ich auch Mods um Dinge wie Respecs und Buffs komfortabel zu erreichen. Das führt nicht dazu, dass ich mit meiner Party durch die Gegnergruppen steamrollen kann. Viele Fights gegen stärkere Gegner musste ich 5 oder 10 mal wiederholen und bei jeder Niederlage lernte ich neue Mechaniken besser kennen. Und mit jedem Mal kam ich dem Sieg dank Buffs, Debuffs, Positioning und dem Aushebeln von Resistenzen näher ohne mich auf Würfelglück verlassen zu müssen. Bisher gehen die Kämpfe auch gut von der Hand und dauern keine Ewigkeit. Eine Niederlage hat mich deswegen bisher nicht frustriert, sondern angetrieben mich mit dem Spiel und seinen Systemen mehr zu befassen.
Die anderen Stärken des Spiels erfährt man schnell über Reviews und so. Die Geschichte ist cool mit großem Fokus auf Dämonen und Grauzonen, es gibt unendlich viele Möglichkeiten für den Ausbau der Charakter, darunter auch ziemlich einzigartige Builds, die Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen, blablabla. Ihr wisst Bescheid, aber was das Spiel auf der Mikroebene leistet, macht es für mich bisher zu einer wirklich ausgezeichneten Erfahrung und ich freue mich sehr darauf, tiefer in der Welt zu versinken.