Habe heute das letzte Ende durchgespielt und bin wieder wie damals vor 10 Jahren schwer begeistert was die Narrative, Atmosphäre und Musik angeht. Und diesmal sind sogar die Kämpfe nicht nur passabel, sondern fühlen sich durch die Mitarbeit von Platinum Games sehr dynamisch und präzise an. Selbst die Optik macht jetzt was her, im Direktvergleich zum Original würde ich sogar fast von einer Augenweide sprechen. Auch wenn es nicht sonderlich viel ist, kann der neue Bonuscontent, den es im Original nicht gab, völlig überzeugen und fügt sich nahtlos in den Rest des Spiels ein, ohne aufgesetzt zu wirken. Das neue Ende füllt sogar eine kleine Storylücke, die nach dem Ende noch offen blieb.
Auch wenn es eines meiner Lieblingsspiele ist, will ich ein paar Kritikpunkte nicht unerwähnt lassen. Einerseits ist Nier "Backtracking: The Videogame". Und zwar das volle Programm. In gefühlt 90 % der Nebenquests (wovon es nicht wenige gibt) wird man Kreuz und quer und ohne Gnade durch die Spielwelt gescheucht, völlig ohne Schnellreisesystem. Als würde das nicht reichen, darf man für drei der fünf Enden, die für die volle Spielerfahrung allesamt essentiell sind, jeweils einen nicht allzu kleinen Teil des Spiels wiederholen. Wer Route B in Nier Automata schon schlimm fand und das Original bzw. Replicant noch nicht kennt, sollte es sich wirklich dreifach überlegen, ob man das Spiel wirklich spielen will. Denn im Vergleich hierzu ist die Sache in Automata eindeutig eleganter gelöst.
Ein weiterer Kritikpunkt ist für mich der unausgewogene Schwierigkeitsgrad. Ich habe das Spiel auf Schwer angefangen, habe aber schnell bemerkt, dass man die "Herausforderung" mit sehr billigen Mitteln herbeigeführt hat. Erstens halten die Gegner sehr viel mehr Angriffe aus, was darin resultiert, dass man viel zu lange auf einen einzelnen Gegner herumprügeln muss, was den Spielfluss stört und zweitens reagieren Gegner auf die eigenen Angriffe nicht und führen weiter ihre Angriffsmuster aus, ohne jemals gestaggert zu werden, was sich vor allem bei kleineren Gegnern sehr unnatürlich anfühlt und kein gutes Hit-Feedback gibt.
Habe dann auf Mittel runtergeschaltet. Da gibts zwar das Problem mit dem Spielfluss und Feedback nicht mehr, dafür ist das Spiel dann viel zu leicht, weil die Gegner nicht sehr intelligent und leicht durchschaubar sind. Gegen Ende ist man sehr overpowered und findet sehr viel mehr Heilitems, als man mit sich führen kann oder braucht.
Und etwas meckern auf hohem Niveau: Ich mochte den alten Soundtrack lieber und hätte gerne eine Option gehabt, zwischen neuem und Original zu wechseln. Die Neuaufnahme ist zwar auch ohne jeglichen Zweifel in vollem Umfang großartig, aber ich finde (sehr subjektive Angelegenheit), dass man einige Stücke ein wenig verschlimmbessert hat. Ich denke aber, dass ich hier einfach zu sehr Purist bin und kann alle verstehen, die das anders sehen.
Unterm Strich ist Replicant für mich ein sehr gelungenes Remake/Remaster-Zwischending, das sehr viel richtig macht und vieles gegenüber dem Original verbessert und sogar sehr willkommenen Extracontent und Fanservice hinzufügt, aber noch etwas weiter mit seinen Verbesserungen hätte gehen können. Gerade das Backtracking hätte man wirklich entschärfen und die Sache mit dem Schwierigkeitsgrad wahrscheinlich mit simplen Mitteln beheben können.
Vor allem bin ich einfach nur heilfroh, dass ich Nier endlich ein zweites mal durchspielen konnte, ohne dass ich dafür meine 360 wieder anschließen und mir das sowohl technisch als auch optisch schon 2010 veraltete Original nochmal geben muss.